von Martin Auer
Die Militärs der Welt setzen bedeutende Mengen an Treibhausgasen frei. Doch niemand weiß genau, wie viel. Das ist problematisch, weil für die Bekämpfung des Klimawandels belastbare Zahlen und Fakten notwendig sind. Eine Untersuchung des Conflict and Environment Observatory in Zusammenarbeit mit den Universitäten Lancaster und Durham in Großbritannien stellt fest, dass die in den Klimaverträgen von Kyoto und Paris festgelegten Berichtspflichten absolut ungenügend sind. Militärische Emissionen wurden aus dem Kyoto-Protokoll von 1997 auf Drängen der USA ausdrücklich ausgenommen. Erst seit dem Übereinkommen von Paris 2015 müssen militärische Emissionen zwar in die Berichte der Länder an die UNO aufgenommen werden, aber es ist den Staaten überlassen, ob sie diese – freiwillig – getrennt ausweisen. Kompliziert wird die Lage noch dadurch, dass das UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) verschiedenen Staaten je nach ökonomischem Entwicklungsgrad unterschiedliche Berichtspflichten auferlegt. Die 43 im Anhang I (Annex I) als „entwickelt“ eingestuften Staaten (darunter auch die EU-Staaten und die EU selbst) sind verpflichtet, jährlich ihre nationalen Emissionen zu melden. Weniger „entwickelte“ (Non-Annex I) Staaten müssen nur alle vier Jahre berichten. Darunter fallen auch etliche Länder mit hohen Militärausgaben wie China, Indien, Saudi Arabien und Israel.
In der Studie wurden die Meldungen militärischer Treibhausgas-Emissionen im Rahmen der UNFCCC für 2021 untersucht. Nach den Richtlinien des IPCC soll die militärische Nutzung von Brennstoffen unter der Kategorie 1.A.5 gemeldet werden. Diese Kategorie umfasst alle Emissionen aus Brennstoffen, die nicht an anderer Stelle spezifiziert sind. Dabei sind unter 1.A.5.a Emissionen stationärer Quellen und unter 1.A.5.b Emissionen mobiler Quellen zu berichten, unterteilt noch in Flugverkehr (1.A.5.b.i), Schiffsverkehr (1.A.5.b.ii) und „Andere“ (1.A.5.b.iii). Die Treibhausgas-Emissionen sollten so differenziert wie möglich angegeben werden, doch ist es erlaubt, sie zusammenzufassen, um militärische Informationen zu schützen.
Insgesamt sind laut Studie die UNFCCC-Berichte meistens unvollständig, bleiben generell unklar und sind nicht miteinander vergleichbar, weil einheitliche Standards fehlen.
Von den 41 untersuchten Annex-I-Staaten (Liechtenstein und Island haben kaum Militärausgaben und wurden deshalb nicht mit einbezogen), werden die Berichte von 31 als signifikant zu niedrig eingestuft, die übrigen 10 können nicht beurteilt werden. Die Zugänglichkeit der Daten wird bei fünf Staaten als angemessen („fair“) bezeichnet: Deutschland, Norwegen, Ungarn, Luxemburg und Zypern. Bei den übrigen Ländern wird sie als schlecht („poor“) oder sehr schlecht („very poor“) eingestuft(Tabelle).
Österreich hat keine stationären Emissionen gemeldet und 52.000 Tonnen CO2e an mobilen Emissionen. Das wird als „very significant under-reporting“ eingestuft. Die Zugänglichkeit der zugrundeliegenden Daten wurde als „schlecht“ beurteilt, da keine differenzierten Daten gemeldet wurden.
Deutschland hat 411.000 Tonnen CO2e an stationären und 512.000 Tonnen CO2e an mobilen Emissionen gemeldet. Das wird ebenfalls als „very significant underreporting“ qualifiziert.
Oft werden als Hauptverursacher militärischer Emissionen die Energienutzung in militärischen Objekten und der Treibstoffverbrauch beim Betrieb von Flugzeugen, Schiffen und Landfahrzeugen gesehen. Doch eine Untersuchung von Streitkräften der EU-Staaten und Großbritanniens zeigt, dass die Beschaffung von militärischer Ausrüstung und und andere Lieferketten für den größten Teil der Emissionen verantwortlich sind. Für die EU-Länder werden die indirekten Emissionen auf mehr als das Doppelte der direkten Emissionen geschätzt, für Großbritannien auf das 2,6fache7. Emissionen entstehen bei der Gewinnung der Rohmaterialien, bei der Produktion der Waffen, beim Gebrauch durch das Militär und schließlich bei der Entsorgung. Und Militärs verwenden nicht nur Waffen, sondern ein breites Sortiment an anderen Produkten. Darüber hinaus sind die Auswirkungen von militärischen Konflikten noch viel zu wenig erforscht. Militärische Auseinandersetzungen können die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse massiv verändern, direkte Umweltschäden verursachen sowie Umweltschutzmaßnahmen verzögern oder verhindern, und sie können dazu führen, dass Länder die Nutzung umweltschädlicher Technologien verlängern. Der Wiederaufbau von zerstörten Städten kann Millionen Tonnen von Emissionen erzeugen, angefangen vom Abtransport der Trümmer bis zur Herstellung des Betons für neue Gebäude. Auch führen Konflikte oft zu einem rapiden Anstieg der Entwaldung, weil der Bevölkerung andere Energiequellen fehlen, also einem Verlust an CO2-Senken.
Die Autoren der Studie betonen, dass es nicht möglich ist, die Pariser Klimaziele zu erreichen, wenn die Militärs so weitermachen wie bisher. Sogar die NATO hat anerkannt, dass sie ihre Emissionen senken muss. Daher sollten militärische Emissionen bei der COP27 im November zur Sprache kommen. Als erster Schritt sollten Annex-I-Länder verpflichtet werden, ihre militärischen Emissionen zu melden. Die Daten sollten transparent, zugänglich, voll differenziert und unabhängig verifizierbar sein. Nicht-Annex-I-Länder mit hohen Militärausgaben sollten freiwillig jährlich ihre militärischen Emissionen melden.
Treibhausgasemissionen werden von dem am meisten benutzten internationalen Berechnungstool, dem Greenhouse Gas (GHG)-Protocol, in drei Kategorien oder „Scopes“ unterteilt. Die militärischen Berichte sollten sich ebenfalls danach richten: Scope 1 wären dann die Emissionen aus den direkt vom Militär kontrollierten Quellen, Scope 2 wären die indirekten Emissionen aus der vom Militär angekauften Elektrizität, Heizung und Kühlung, Scope 3 würde alle anderen indirekten Emissionen umfassen wie durch Lieferketten oder durch militärische Operationen im Zuge von Konflikten verursachte. Um gleiche Verhältnisse für alle zu schaffen, sollte der IPCC die Kriterien für die Meldung von militärischen Emissionen aktualisieren.
Regierungen sollten sich, so lautet die Empfehlung der Studie, ausdrücklich zur Reduktion von militärischen Emissionen verpflichten. Um glaubwürdig zu sein, müssen solche Verpflichtungen dem Militär klare Ziele setzen, die mit dem 1,5°C-Ziel in Einklang stehen; sie müssen Berichtsmechanismen festlegen, die robust, vergleichbar, transparent und unabhängig bestätigt sind; dem Militär sollten klare Ziele zum Energiesparen, zur Reduktion der Abhängigkeit von fossilen und für Umstieg auf erneuerbare Energien gesetzt werden; ebenso sollten auch der Rüstungsindustrie Reduktionsziele vorgeschrieben werden. Das sollten echte Reduktionsziele sein und nicht Nettoziele, die auf Kompensation beruhen. Die vorgesehenen Maßnahmen sollten öffentlich gemacht und jährlich über die Ergebnisse berichtet werden. Schließlich sollte die Frage angegangen werden, wie eine Reduzierung der Militärausgaben und der militärischen Einsätze sowie eine generell andere Sicherheitspolitik zur Verminderung von Emissionen beitragen können. Um um die geforderten Klima- und Umweltschutzmaßnahmen auch vollständig umzusetzen, müssen auch die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.
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