Langjährige Attac-Forderungen sind von einer „Utopie“ zu politischer Realität geworden |
„Warum nicht eine weltweite regierungsunabhängige Organisation namens ‚Aktion für eine Tobin-Steuer als Bürgerhilfe‘ (Action pour une taxe Tobin d‘aide aux citoyens – kurz: Attac) ins Leben rufen? Im Verein mit den Gewerkschaften und den zahlreichen Organisationen, die kulturelle, soziale oder ökologische Ziele verfolgen, könnte sie gegenüber den Regierungen als gigantische Pressure-Group der Zivilgesellschaft auftreten, mit dem Ziel, endlich wirksam eine weltweite Solidaritätssteuer durchzusetzen.“ Diese Schlussworte eines Artikels von Ignacio Ramonet in der Le Monde diplomatique vom Dezember 1997 führten am 3. Juni 1998 zur Gründung von Attac in Frankreich und in weiterer Folge zu einem nahezu weltumspannenden Netzwerk an eigenständigen Attac-Organisationen. (1) “Ignacio Ramonet hat den Zündfunken gelegt: Mit nur 0,1 Prozent Finanztransaktionssteuer können wir Sand ins Getriebe der Finanzmärkte streuen und Ungerechtigkeit sowie Hunger und Armut in der Welt bekämpfen“, erklärt Hanna Braun von Attac Österreich. Attac-Forderungen und Alternativen werden aufgegriffen und umgesetzt Egal ob es sich um Finanzmärkte, Steuerpolitik, Handelspolitik, Agrarpolitik oder Klimaschutz handelt: Viele Attac-Forderungen und Alternativen wurden nach Jahren von der Politik aufgegriffen und umgesetzt (2). Die weltweiten sozialen und globalisierungskritischen Bewegungen konnten zudem in den vergangenen 25 Jahren erfolgreich zentrale Projekte der neoliberalen Globalisierung stoppen: Die neoliberale Handels- und Investitionspolitik stockt – die WTO-Doha Entwicklungsrunde wurde nie beendet, das multilaterale Investitionsabkommen MAI und das EU-USA-Abkommen TTIP wurden gestoppt. Österreich ist das erste Land, in dem das Parlament der Regierung vorschreibt, das Mercosur-Abkommen abzulehnen.„Grundlegende wirtschaftspolitische Veränderungen scheitern jedoch immer wieder an den realen Machtverhältnissen und den Profitinteressen von Konzernen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Attac ist es, dazu ein Gegengewicht aufzubauen und die Macht der Konzerne zu brechen“, erklärt Braun. Attac entwickelt Analysen laufend weiter Heute, nach 25 Jahren, entwickelt das weltweite Attac Netzwerk seine Analysen und Forderungen laufend weiter: Der Kampf für globale Klimagerechtigkeit, ein solidarisches Welthandelssystem, ein gerechtes Steuer- und Finanzsystem, ein demokratisches und nachhaltiges Agrar- und Energiesystem, soziale Sicherheit, umfassende Demokratisierung oder eine grundlegende EU-Kritik zählen zu den Schwerpunkten. „Ein gutes Leben für alle“ – das ist der Attac-Gegenentwurf zu nationalistischen Ansagen wie „Österreicher zuerst“ oder „America first“. Heute beziehen sich zahlreiche politische Akteure auf das Verständnis, dass Wirtschaft allen heute und in Zukunft lebenden Menschen – und nicht nur wenigen Superreichen – ein gutes Leben ermöglichen soll“, erklärt Braun. |
(1) Attac Österreich wurde am 6. November 2000 gegründet. Seit der Gründung durch eine einige Aktivist*innen hat sich Attac zu einer wichtigen Akteurin der österreichischen Zivilgesellschaft entwickelt, die politische Landschaft verändert und mitgestaltet. Mit Kampagnen, Aktionen und Bildungsveranstaltungen gelingt es, die angebliche Alternativlosigkeit der neoliberalen Globalisierung in Frage zu stellen und auf ihre negativen Folgen für die große Mehrheit der Menschen und die Umwelt hinzuweisen.(2) Einige Erfolge von Attac: Die Notwendigkeit einer demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte ist heute breit akzeptiert. Die Attac-Gründungsforderung, die Tobinsteuer, wurde schon 2013 als Finanztransaktionssteuer zwischen elf europäischen Ländern beschlossen. Dass es sie bis heute nicht gibt, liegt an der enormen Macht der Finanzakteure und deren Einfluss auf Regierungen. Durch Steuerskandale wie LuxLeaks, Paradise Papers oder Panama Papers wurde offensichtlich, was Attac schon seit der Gründung kritisiert: Das internationale Steuersystem ermöglicht Konzernen Steuertricks, welche die Allgemeinheit Milliarden kosten. Langjährige Attac-Alternativen wie die Gesamtkonzernsteuer oder eine Mindeststeuer für Konzerne werden international diskutiert, die aktuelle Umsetzung ist jedoch noch völlig unzureichend. Auch der Steuerbetrug von Vermögenden steht heute auf der politischen Agenda. Der automatische Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden ist seit 2016 Realität – leider jedoch noch immer mit zahlreichen Schlupflöchern. Gleiches gilt für öffentliche Register über die wahren Eigentümer*innen hinter Briefkastenfirmen. Sie wurden in der EU mittlerweile ansatzweise umgesetzt. 2015 wurde das Bankgeheimnis in Österreich abgeschafft und damit eine jahrelange Forderung von Attac Österreich erfüllt. Die Notwendigkeit einer völlig anderen europäischen EU-Wirtschafts- und Steuerpolitik wird heute breit geteilt, ebenso wie die dringend erforderliche umfassende Demokratisierung der EU. |