Ein Recht für Tiere? Nach der Landtagswahl in Niederösterreich hat die FPÖ NÖ bei ihrer Klubklausur ihre Schwerpunkte festgelegt: Sicherheit, Gesundheit, Tierschutz. Eine der Agenden des neuen FPÖ-Landesrats Gottfried Waldhäusl ist nun der Tierschutz. Zwei Tage nach der Klausur forderte der Landesrat in einer Presseaussendung: „Fischotterplage muss nachhaltig eingedämmt werden“. Anlass war die Ankündigung der ÖVP-Landesrats Stephan Pernkopf, per Bescheid die „Entnahme“ (also Tötung) von 40 geschützten Fischottern temporär zu erlauben, was nach Ansicht seines FPÖ-Kollegen nicht weit genug geht. Den Fischotter zu schützen sei „falsch verstandene Tierliebe“.
Mitte April 2018 trat Gottfried Waldhäusl beim Bezirksjägertag in Zwettl auf. Landesjägermeister Josef Pröll (einst ÖVP-Minister) soll dort gesagt haben, „Der Wolf hat in einer Kulturlandschaft wie in Mitteleuropa nichts verloren“, Waldhäusl soll ergänzt haben: „Warum gilt Tierschutz nur für den Wolf?“.
Zwei Beispiele für die Ambivalenz dessen, was in Politik und Gesellschaft als Tierschutz bezeichnet wird.
Historische Ungerechtigkeit
Nicht selten bezieht sich dieser in erster Linie auf Katzen und Hunde. Er hört oft dort auf, wo es um wirtschaftliche Interessen geht, um (vermeintliche oder tatsächliche) Konkurrenz durch Wildtiere oder um das Vergnügen von Jägern und Fischern. Von Pythagoras über Galileo Galilei, René Descartes, Jean Jacques Rousseau, Immanuel Kant und Arthur Schopenhauer finden sich in der Menschenheitsgeschichte immer wieder Überlegungen darüber, dass Tiere nicht grausam behandelt werden dürfen, dass der Mensch Teil der Natur ist und sich nur durch Sprache und Vernunft von den Tieren unterscheide.
Tierschutz bedeutet, Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen und ihnen kein Leid, keine unnötige Angst oder dauerhafte Schäden zuzufügen. Mit der Industrialisierung und der Technisierung von Landwirtschaft und Viehzucht hat die Ausbeutung von Tieren immens zugenommen. Schon im 19. Jahrhundert entstanden deshalb Tierschutzbewegungen. 1822 wurde in England das erste Tierschutzgesetz erlassen.
Nichtsdestotrotz wurden ab Mitte des 20. Jahrhunderts Tiere zu immer höheren Leistungen bei Fleisch, Milch und Eiern gezüchtet, auf engem Raum zusammengepfercht, im Akkord in Schlachtfabriken getötet, ins Weltall geschossen und für die Prüfung von Kosmetika und Chemikalien und teils völlig nutzlose Experimente gequält.
Erfolge durch Tierschützer
In den vergangenen Jahrzehnten gab es jedoch einige Fortschritte in Sachen Tierschutz: Verhaltensforscher wie Konrad Lorenz mit seinen Graugänsen, Jane Goodall mit ihren Schimpansen, die britische Hühnerforscherin Christine Nicol und viele andere haben uns über die Intelligenz und das Verhalten von Tieren überrascht und unsere Einstellung verändert. Nicols Erkenntnisse über die Bedürfnisse von Hühnern in den 1980er Jahren sorgten beispielsweise dafür, dass Legebatterien seit 2012 in der EU verboten und nur mehr „ausgestaltete Käfige“ mit etwas mehr Platz erlaubt sind. Artgerecht ist das immer noch nicht.
Auch für andere Nutztiere gab es in der EU und in Österreich Verbesserungen der Haltungsvorschriften oder zur Vermeidung von Schmerzen. So dürfen Rinder seit 2012 nicht mehr dauernd angebunden werden oder Schweinen seit Oktober 2017 der Schwanz nur wenn nötig und unter Schmerzbehandlung kupiert werden.
Durch die Arbeit von Tierschutzorganisationen und -aktivisten wurde die Öffentlichkeit auf die Zustände in Pelztierzuchten, die Bedingungen von Schlachthöfen, die Tötung männlicher Küken bei Legehuhnzuchten oder die Grausamkeit von Tellerfallen für Wildtiere hingewiesen. Teilweise gab es gesetzliche Verbesserungen, freiwillige Änderungen (wie z.B. die gemeinsame Aufzucht von Hühnern und Hähnen bei Toni‘s Freilandeier) oder gesellschaftliche Ächtung wie bei Pelzen. Noch immer werden jedoch Nutztiere quer durch Europa transportiert, kritisiert der Verein gegen Tierfabriken, der das kürzlich am Beispiel von zwei Kälbern aus Vorarlberg nachverfolgt hat.
Dem belgisch-amerikanischen Tierrechtsaktivisten Henry Spira gelang es in den 1970er Jahren, mit großer Hartnäckigkeit auf die Qualen von Kaninchen aufmerksam zu machen, denen beim „Draize-Test“ konzentrierte Bestandteile von Kosmetika ins Auge geträufelt wurden. 1980 kam es deshalb zu Massenprotesten gegen die Kosmetikfirma Revlon. Unter diesem Druck wurden schließlich Forschungsprogramme zur Entwicklung von Kosmetika-Testmethoden ohne Tierversuche entwickelt.
Henry Spira war durch Publikationen von Dozenten der Universität Oxford und dem australischen Philosophen Peter Singer („Animal Liberation“ 1975) auf das Thema Tierrechte gestoßen. Tierrechtlern geht der Tierschutz nicht weit genug. Wir sollten Tieren nicht nur unnötige Qualen ersparen und sie artgerecht halten, sondern ihnen Grundrechte geben, wie auch Menschen sie haben.
Von der Sache zum Tierrecht
Im Römischen Recht gelten Tiere als Sachen – im Gegensatz zum Menschen, der eine Person ist. Die Schweiz ist das einzige Land der Welt, das Tieren in seiner Verfassung eine Würde zuerkennt. Seit der Änderung des Zivilgesetzbuches vom Oktober 2002 sind Tiere keine Sachen mehr. Von 2007 bis 2010 gab es im Kanton Zürich sogar das weltweit einzigartige Amt eines Tieranwalts bei Gericht, das der Jurist Antoine Goetschel ausübte. Aufgrund einer Schweiz-weiten Abstimmung wurde dieses Amt aber wieder abgeschafft.
In den Niederlanden zog 2006 zum ersten Mal die neue „Partei für die Tiere“ (Partij voor de Dieren) ins Parlament ein, mittlerweile gibt es solche Parteien auch in anderen Ländern. In den USA kämpft der Anwalt Steven Wise vom Nonhuman Rights Project dafür, dass Schimpansen als Personen anerkannt werden und das Recht auf „Haftprüfung“ (Habeas Corpus) erhalten. In Buenos Aires ist das 2014 bereits für ein Orang-Utan-Weibchen gelungen.
Doch wo ziehen wir die Grenze? Hat ein Schimpanse mehr Rechte als ein Huhn und dieses mehr Rechte als ein Regenwurm? Und worauf begründen wir das? Über diese Fragen zerbrechen sich zahlreiche Philosophen den Kopf. „Abolitionisten“ wie der US-amerikanische Rechtsprofessor und Autor Gary Francione lehnen „Tierschutz“ ab. Er hält den Gebrauch nichtmenschlicher Tiere an sich für problematisch. Für Tierrechte sei ausschließlich das Kriterium der Empfindungsfähigkeit relevant, mit der ein Selbstbewusstsein und ein Interesse am eigenen Leben einhergehen.
Das Interesse am eigenen Leben kann man aber auch von Pflanzen annehmen. Es ist also kein Wunder, dass vereinzelt auch schon über Rechte von Pflanzen diskutiert wird.