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Protest gegen Pharmalobbyistin an der Spitze der Medizinmarktaufsicht wächst | attac Österreich


Mit Helga Tieben soll ausgerechnet eine Mitarbeiterin des Pharmaverbandes Pharmig neue Leiterin der österreichischen Medizinmarktaufsicht in der AGES werden. Der Protest dagegen wächst: Bereits mehr als 5600 Menschen haben ein Protest-Mail an den zuständigen Gesundheitsminister gesendet. Sie fordern den neuen Minister Johannes Rauch auf, keine Pharmalobbyistin an die Spitze der Medizinmarktaufsicht zu berufen.

In einem Video-Interview bezeichnete Tieben die Arzneimittelzulassung als „enorm reguliert“ und beklagte beispielsweise das „strenge Korsett der Regularien“. Ihr Ziel sei es, dass es „keine Hürden“ gebe, „damit Produkte zum Markt kommen“.

„Tieben ist ganz offensichtlich ungeeignet, die Medizinmarktaufsicht unabhängig zu leiten. Im Gegensatz zu seinem hier untätigen Vorgänger darf der neue Gesundheitsminister Rauch diese skandalöse Bestellung nicht länger ignorieren. Die Medizinmarktaufsicht sollte eine Person führen, die über fachliche Qualifikationen und ausreichend kritische Distanz zur  Pharmaindustrie verfügt“, fordert Iris Frey von Attac Österreich.

Die Interessenkonflikte bei der Bestellung Tiebens sind offensichtlich:
 

  • Die Pharmaindustrie hat ein Interesse daran, dass möglichst viele Medikamente möglichst rasch als nutzbringend eingestuft und zugelassen werden, um daraus Gewinn zu schlagen. Das ist aus medizinethischer Sicht völlig inakzeptabel. 
  • Die Bestellung beinhaltet daher das Risiko finanzieller Zusatzbelastungen für das österreichische Gesundheitssystem.
  • Helga Tieben erfüllt die Complianceregeln der Europäischen Arzneimittelzulassung (EMA) nicht. Diese verlangen eine 3-jährige Abkühlphase für derartige Funktionen. Tieben kann daher drei Jahre lang nicht an Sitzungen des Management Boards der EMA teilnehmen. Österreich wäre somit von wichtigen Informationen abgeschnitten, und die Medizinmarktaufsicht würde enormen Schaden erleiden.
  • Die Postenvergabe widerspricht allen international gängigen Standards für die Besetzung derartiger Behörden. Zudem erfüllt Frau Tieben laut Medienberichten auch formale Voraussetzungen nicht. Dazu zählt etwa ein Medizin- oder naturwissenschaftliches Studium. 
  • Aufgrund der Verbindungen und Netzwerke von Frau Tieben besteht die Gefahr der Weitergabe sensibler Informationen an die Pharmaindustrie.

Der ehemalige Gesundheitsminister Mückstein hatte sich darauf ausgeredet, keinen Einfluss auf die Bestellung zu haben. Doch mit Katharina Reich war seine Sektionschefin für Öffentliche Gesundheit Mitglied der Hearing-Kommission der AGES. Die politische Verantwortung liegt somit beim aktuellen Gesundheitsminister.

Hintergrund

Die österreichische Medizinmarktaufsicht ist für äußerst sensible Bereiche zuständig. Dazu gehören die nationalen Beiträge zur Europäischen Arzneimittelzulassung (EMA), die Aufsicht über den österreichischen Medizinmarkt (Arzneimittelsicherheit und Inspektionswesen) sowie die klinische Prüfung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.

International wird von der Europäischen Arzneimittelzulassungsbehörde eine 3-jährige Abkühlphase für derartige Funktionen verlangt. Auch in der inzwischen gängigen Offenlegung von Interessenkonflikten wird ein Zeitraum von 3 Jahren angegeben.

Quelle

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