Die biologischen Rahmenbedingungen für die meisten Tiere gestalten sich derart, dass sie ihre Grundbedürfnisse zwar abdecken können, aber kaum Überproduktion stattfindet, die in einem Überfluss der Ressourcenverfügbarkeit münden würde. Dennoch ist der Zugang zu Ressourcen nicht gleich verteilt, und manche Individuen haben aufgrund ihres hierarchischen Status oder auf der Basis ihres Territoriums mehr: Mehr Nahrungsressourcen, mehr Reproduktionspartner, mehr Nachkommen. Handelt es sich hierbei bereits um Luxus?
Die Grenzen dessen, was wir als Luxus definieren sind fließend. Der Ursprung des Wortes Luxus kommt aus dem Lateinischen, wo das „verrenkt” als eine Abweichung vom Normalen zu verstehen ist, und für Überfluss und Verschwendung steht. Luxus ist also eine Abweichung von der Notwendigkeit, eine Quelle des Vergnügens. Luxus bedeutet aber auch einen verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, ohne Überlegungen zur generellen Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit.
Der Freude, dem Vergnügen wird einerseits heute soviel Raum eingeräumt wie noch nie. Gleichzeitig wird aber auch in unserer leistungsorientierten Gesellschaft die Nase darüber gerümpft, wenn sich jemand ausschließlich dem Genuss hingibt. Der Luxus den wir anstreben, ist einer den wir uns als Belohnung mit harter Arbeit erworben haben, nicht jener, der uns in den Schoß fällt. Ersterer gilt als der wohlverdiente Ausgleich dafür, dass unser Alltag oft sehr freudlos ist, und dient als Motivator, die Leistungen zu erbringen, die der berufliche Alltag von uns fordert.
Warum Luxus Sexy ist
Luxusobjekte dienen auch als Statussymbole. Wenn wir uns Luxus leisten können, signalisieren wir damit, dass wir nicht nur unsere Grundbedürfnisse decken können, sondern einen Überschuss produzieren, mit dem wir verschwenderisch umgehen können. Während die Kontrolle über ein Übermaß an Ressourcen eine attraktive Eigenschaft ist, gilt dies nur begrenzt für den rücksichtslosen Umgang mit ihnen. In der Evolutionsgeschichte der Menschen waren Ressourcen nicht nur lebenswichtig, sondern entschieden auch darüber, ob es möglich war, sich erfolgreich fortzupflanzen. Deshalb spielte Kontrolle über Ressourcen in der Partnerwahl eine ausschlaggebende Rolle, jedoch immer gepaart mit der Bereitschaft, diese Ressourcen zu teilen. In der evolutionären Psychologie wird das männliche Streben nach Status damit erklärt, dass dieser die Fortpflanzungsaussichten unserer männlichen Vorfahren erhöhte. Studien zeigen, dass bis heute ein Zusammenhang zwischen sozialem Status und männlichem Fortpflanzungserfolg besteht. Unter diesem Gesichtspunkt könnte man zu dem Schluss kommen, dass Statussymbole kein purer Luxus sind, sondern durchaus einer Notwendigkeit dienen: Sie helfen Männern, ihren Partnermarktwert zu steigern. Allerdings erfüllen sie diese Funktion nur, wenn sie mit Eigenschaften kombiniert sind, die auf prosoziales und unterstützendes Verhalten schließen lassen, wie soziale Verträglichkeit und Großzügigkeit.
Luxus als Antrieb
Es ist wenig verwunderlich, dass das „sich etwas gönnen“ eine zentrale Rolle in einer Gesellschaft einnimmt, in der viele Menschen die Erwerbstätigkeit nicht als intrinsisch (von innen her kommend) belohnend, sondern vielmehr als Mittel zum Zweck empfinden. Die verhaltensbiologische Grundlage für unser Tun ist der Motivationskomplex. Motivation bewegt uns im wörtlichen Sinne, sie gibt uns Anreiz, in Bewegung zu kommen, energetischen Aufwand zu betreiben und teils mühsame und unerfreuliche Dinge zu tun. Beim Menschen ist die Fähigkeit, auf die Belohnung, also das Erreichen des Motivationszieles, zu warten, so stark ausgeprägt wie bei keinem anderen Tier. Bei den meisten Tierarten darf nicht zuviel Zeit zwischen einer Verhaltensweise und der Belohnung – bzw. Bestrafung – dafür liegen, ansonsten werden diese nicht als voneinander abhängig empfunden. Bei Menschen hingegen funktioniert diese verzögerte Belohnung erstaunlich gut und äußerst langfristig. Wir ertragen den unerfreulichen beruflichen Alltag ein ganzes Jahr lang gut mit der Perspektive auf einen fantastischen Urlaub. Wir nehmen Einschränkungen in unseren alltäglichen Ausgaben in Kauf, um eine größere Investition zu tätigen. Aber auch die Konsequenz mit der wir ins Fitnessstudio gehen oder eine Diät einhalten, hat ihre Wurzeln in einer erwarteten zukünftigen Belohnung.
„Mit steigenden Lebensstandards werden Dinge selbstverständlich, die noch in der vorherigen Generation für wenige und besondere Momente vorbehalten waren.“
Elisabeth Oberzaucher, Uni Wien
Inflationärer Luxus
Was wir als Luxus bewerten, als nicht essentiell aber dennoch erstrebenswert, hängt sehr stark von unseren Lebensbedingungen ab. Was sind Statussymbole und Prestigeobjekte, für die wir bereit sind, auf anderes zu verzichten? Mit steigenden Lebensstandards werden Dinge selbstverständlich, die noch in der vorherigen Generation für wenige und besondere Momente vorbehalten waren. Gleichzeitig mit der höheren Leistbarkeit sinkt die Begehrtheit dieser Dinge. Luxus ist das Außergewöhnliche, das nicht allzeit Verfügbare, das Teure. Was für alle in ausreichendem Maße verfügbar ist, verliert diese besondere Qualität. Wohin wir also unsere Begehrlichkeiten richten, hängt weniger von echten Bedürfnissen ab, sondern vielmehr davon, was als selten und wertvoll gilt.
Das Automobil galt lange Zeit als Luxus, da Mobilität für die meisten nur mit anderen Mitteln leistbar war. Die Wertigkeit, die den eigenen vier Rädern beigemessen wird, zeigt sich heute noch in folgenden Anachronismen: Anders als auf Ge- und Verbrauchsgüter lautet der Umsatzsteuersatz auf PKWs immer noch 32 Prozent anstelle von 20 Prozent. Dieser erhöhte Steuersatz läuft nicht von ungefähr unter dem Gebrauchsnamen “Luxussteuer”. Für den Erwerb eines Autos verschulden sich Menschen, deren Mobilität sich ohne eigenes Kraftfahrzeug durchaus auch umsetzen ließe. Besonders in größeren Städten ist der Besitz eines eigenen Autos für die meisten Menschen der Besitz eines Steh- anstelle eines Fahrzeuges, wenn man betrachtet, wie selten es bewegt wird. Hier scheint aber aktuell ein Wandel stattzufinden: Die Zahl der jungen Menschen, die keinen Führerschein besitzen, steigt. In Ballungsräumen sinkt die Autoanzahl pro Kopf. An die Stelle der Autos sind neue Luxusobjekte gerückt.
Statussymbole für die Masse
Da die Wirksamkeit von Statussymbolen daran geknüpft ist, ob andere erwarten können, an dem Kuchen mitnaschen zu dürfen, eröffnen sich Optionen, um einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen zu fördern. Alles kann zum Statussymbol werden, es muss nur als solches erkannt werden. So ist dies zum Beispiel im Ernährungsbereich geschehen: In den letzten Jahren hat der Konsum von hochwertigen Nahrungsmitteln in der gehobenen Mittelklasse eine massive Bedeutung erlangt. Nicht nur wird sehr viel Geld dafür ausgegeben, es wird auch intensiv darüber kommuniziert. Nur mit einem entsprechenden Einkommen ist es möglich, die Spezialitäten vom regionalen Biobauern und die edlen Tropfen des hippen Winzers zu finanzieren. Neben dem Genuss wird in der Kommunikation immer auch die Nachhaltigkeit als Motivation für dieses Konsumverhalten angeführt. Der Luxuscharakter nachhaltiger Ernährung führt dazu, dass diese momentan noch einer Elite vorbehalten ist, macht sie aber zu einem begehrten Statussymbol, und könnte deshalb dazu beitragen, dass eine breite Masse diese anstrebt. Diese Motivation über Umwege wurde von der Evolutionspsychologin Bobbi Low vorgeschlagen und in der Verhaltensökonomie aufgegriffen. Das evolutionspsychologische Argument beruht darauf, dass Status in der Partnerwahl eine Rolle spielt. Wenn also nachhaltige Verhaltensalternativen zu Statussymbolen gemacht werden, werden diese als erstrebenswert eher verfolgt.
Der Begriff “Nudging” ist spätestens seit der Verleihung des diesjährigen Ökonomie-Nobelpreises an Richard Thaler allgemein bekannt. Anstelle von rationalen Argumenten setzt diese Methode Emotionen und unbewusste Prozesse ein, um Menschen dazu zu bringen, die nachhaltigere Verhaltensalternative zu wählen.
Somit ist Luxus eine fantastische Möglichkeit: Wenn wir es schaffen, die richtigen Qualitäten und Objekte mit dem Image von Luxus und Status verbinden, machen wir ökologisch bewusstes und humanes Verhalten erstrebenswert und attraktiv. Wenn wir diese Option aus einem inneren Antrieb wählen, werden wir verlässlicher auf diesem für den gesamten Planeten wünschenswerten Weg bleiben, als wenn uns mit erhobenem Zeigefinger rationale Argumente dargeboten werden.
Abwarten zur Profitmaximierung
Belohnungsaufschub erfordert ein gehöriges Maß an Selbstkontrolle. Inwieweit wir bereits im Kindheitsalter dazu in der Lage sind, wurde in den 1970er Jahren mithilfe des Marshmallow-Tests untersucht. Hierbei wurde einem Kind ein Marshmallow gegeben, und ihm zwei Optionen angeboten: Entweder konnte es das eine Marshmallow sofort essen, oder es konnte sich beherrschen und eine Weile warten, bis der Versuchsleiter zurückkam. Wenn das Kind bis dahin das Marshmallow nicht gegessen hatte, bekam es ein zweites. In diesen Experimenten zeigte sich, dass die Kinder große Schwierigkeiten hatten, der Versuchung zu widerstehen; die meisten aßen die Süßigkeit, bevor der Versuchsleiter zurückkam. Jüngere Untersuchungen zeigten eine Zunahme des Anteils derer Kinder, die standhaft blieben. Dies könnte jedoch damit zu tun haben, dass Kinder heute stärker ungehinderten Zugang zu Süßigkeiten haben.
Auch im Verhalten von erwachsenen Menschen zeigt sich, dass wir nicht wirklich gut darin sind, in die Zukunft zu denken, und auf Belohnungen zu warten. Ob es sich um Investitionen handelt oder um Entscheidungen zur Pensionsvorsorge, wir treffen nicht notwendigerweise die ökonomisch günstigste Wahl. Die Verhaltensökonomie liefert Einblicke dazu, unter welchen Bedingungen wir gewillt sind, uns für die spätere, dafür aber höhere Belohnung zu entscheiden: Die unmittelbare Belohnung muss signifikant geringer als der künftige Profit sein, und dieser darf nicht zu weit in der Zukunft liegen. Nicht zuletzt müssen wir uns darauf verlassen können, dass unsere Investition in die Zukunft auch in sicheren Händen ist. Alleine die zeitliche Distanz schafft nämlich bereits Unsicherheit.
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