Damit die Betreiber von Kohle-Kraftwerken ihre Anlagen vorzeitig stilllegen verspricht unter anderem Deutschland hohe Entschädigungszahlungen. Die Europäische Kommission hat nun eine Untersuchung eingeleitet, um zu prüfen, ob dies mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht. Ganz besonders geht es hier auch um das Wettbewerbsprinzip.
„Der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung trägt im Einklang mit den Zielen des europäischen Grünen Deals zum Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft bei. In diesem Zusammenhang ist es unsere Aufgabe, den Wettbewerb zu schützen, indem wir sicherstellen, dass der Ausgleich, der den Anlagenbetreibern für den vorzeitigen Ausstieg gewährt wird, auf das erforderliche Mindestmaß beschränkt wird. Die uns bisher zur Verfügung stehenden Informationen erlauben es uns nicht, dies mit Sicherheit zu bestätigen. Daher leiten wir dieses Prüfverfahren ein“, sagt dazu die für Wettbewerbspolitik zuständige Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager.
Nach dem deutschen Kohleausstiegsgesetz soll die Verstromung von Kohle in Deutschland bis Ende des Jahres 2038 auf null reduziert werden. Deutschland hat beschlossen, mit den Hauptbetreibern von Braunkohlekraftwerken, RWE und LEAG, Vereinbarungen zu schließen, um die vorzeitige Stilllegung von Braunkohlekraftwerken zu fördern. Also Geld für den Kohle-Ausstieg.
Deutschland hat bei der Kommission Pläne angemeldet, nach denen diesen Betreibern eine Entschädigung in Höhe von 4,35 Mrd. EUR gewährt werden soll, und zwar erstens für entgangene Gewinne, da die Betreiber den Strom nicht mehr am Markt verkaufen können, und zweitens für zusätzliche Tagebaufolgekosten, die durch die frühere Stilllegung entstehen. Von den insgesamt 4,35 Mrd. EUR sind 2,6 Mrd. EUR für die RWE-Anlagen im Rheinland und 1,75 Mrd. EUR für die LEAG-Anlagen in der Lausitz vorgesehen.
Die Europäische Kommission hat jedoch Zweifel – an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit den EU‑Beihilfevorschriften. Zwei Punkte sollen bei der EU-Prüfung geklärt werden:
- In Bezug auf den Ausgleich für entgangene Gewinne: Betreiber von Braunkohlekraftwerken erhalten eine Entschädigung für Gewinne, die sie aufgrund der vorzeitigen Stilllegung der Anlagen nicht mehr erzielen können. Die Kommission hat Zweifel, ob die Entschädigung der Betreiber für entgangene Gewinne, die sehr weit in die Zukunft reichen, als erforderliches Mindestmaß betrachtet werden kann. Sie äußert auch Bedenken hinsichtlich einiger Inputparameter des von Deutschland verwendeten Modells zur Berechnung der entgangenen Gewinne, so u. a. der angesetzten Brennstoff- und CO2-Preise. Ferner wurden der Kommission keine Informationen auf Ebene der einzelnen Anlagen vorgelegt.
- In Bezug auf den Ausgleich für zusätzliche Tagebaufolgekosten: Die Kommission räumt zwar ein, dass Zusatzkosten, die durch die vorzeitige Stilllegung der Braunkohleanlagen entstehen, ebenfalls eine Entschädigung für RWE und LEAG rechtfertigen könnten, hat jedoch Zweifel in Bezug auf die übermittelten Informationen und besonders das für LEAG zugrunde gelegte kontrafaktische Szenario.
RWE verklagt Niederlande auf Entschädigung in Milliardenhöhe
Schon jetzt wetzen die Kohle-Kraftwerk-Betreibe die Messer – und fordern Entschädigungen, zuletzt RWE in Form einer Klage gegenüber den Niederlande. Geld für Kohle-Ausstieg. Ein großer Faktor dabei wird der Energiecharta-Vertrag (ECT) werden: Eine neue internationale Recherche des Journalist*innen-Netzwerks Investigate Europe zeigt, welch enorme Gefahr dieser für den Klimaschutz und die dringend notwendige Energiewende ist. Allein in der EU, Großbritannien und der Schweiz können fossile Energie-Konzerne Profitminderung ihrer Infrastruktur im Wert von 344,6 Milliarden Euro einklagen, so die Recherche.
Geld für Kohle-Ausstieg: Widerstand der NGOs
Zivilgesellschaftliche Organisationen haben nun eine europaweite Kampagne zum Ausstieg aus dem ECT gestartet: „Energiewende retten – Energiecharta stoppen.“ Die Unterzeichnenden fordern die EU-Kommission, das Europaparlament und die EU-Regierungen auf, aus dem Energiecharta-Vertrag auszusteigen und seine Ausweitung auf andere Länder zu stoppen. 24 Stunden nach dem Start haben bereits mehr als 170.000 Menschen die Petition unterzeichnet.
INFO:
Im europäischen Grünen Deal wurde anerkannt, dass die weitere Dekarbonisierung des Energiesystems entscheidend ist, um die Klimaziele in den Jahren 2030 und 2050 zu erreichen. 75 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU entstehen durch die Erzeugung und den Verbrauch von Energie in allen Wirtschaftszweigen. Daher muss ein Energiesektor entwickelt werden, der sich weitgehend auf erneuerbare Energiequellen stützt; dies muss durch den raschen Ausstieg aus der Kohle und die Dekarbonisierung von Gas ergänzt werden.
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